Die erste urkundliche Erwähnung

In den letzten zwei Jahrzehnten begingen viele rheinhessische Gemeinden ihre Zwölfhundertjahrfeier. Anlaß dazu war meist ihre Erwähnung im „Codex Laureshamensis“, einem Güterverzeichnis der Abtei Lorsch. Dieses Kloster an der Bergstraße wurde 764 gegründet und schon bald von den fränkischen Königen mit vielen Vorrechten und großem Landbesitz – u.a. in Rheinhessen – ausgestattet. Ein ähnliches „Reichskloster“ war auch die 721 gegründete Abtei Prüm in der Eifel. Auch hier sollte nicht nur gebetet und gearbeitet, sondern zudem die geistig-politische Führungsschicht des Frankenreiches ausgebildet werden. Um diese Aufgaben zu finanzieren, und um etwas für das eigene Seelenheil zu tun, schenkten viele fränkische Könige und Adlige auch diesem Kloster umfangreichen Grundbesitz, der schließlich zwischen der Bretagne und dem Rhein, zwischen Burgund und Holland verstreut lag. Um 900 und 1100 ließen die Prümer Äbte alle Urkunden über die Rechte und Besitztümer ihres Klosters abschreiben. In diesem prachtvoll verzierten Verzeichnis, dem „Liier aureus“ oder „Goldenen Buch“ der Abtei Prüm, das heute in der Trierer Stadtbibliothek verwahrt wird, findet sich ein Vertrag vom 26. Februar 882, mit dem das Kloster einem gewissen Hartmann mehrere Güter zur lebenslänglichen Nutznießung (Prekarie) überließ. So heißt es dort, man überlasse dem Ritter auch das

„quicquid nostrum erat ad iencingon et ad appenheim et ad druhtmaresheim“

zu deutsch: 

„was uns in Gensingen, Appenheim und Dromersheim gehörte.“

Das ist die früheste schriftliche Nennung unseres Ortes, und zwar in einer Urkunde, dem für das Mittelalter so wichtigen und typischen Rechtsdokument. Diese erste urkundliche Erwähnung bedeutet natürlich nicht, daß Appenheim damals erst gegründet wurde, sondern ist der sichere Nachweis dafür, daß es bereits bestand. Der Historiker, der sich in erster Linie ja an schriftliche Aufzeichnungen zu halten hat, kann also davon ausgehen, daß unser Ort spätestens seit Ende des 9. Jahrhunderts vorhanden ist. In Wirklichkeit ist Appenheim aber älter: Schon die Tatsache, daß in dem Vertrag von Land, das bereits dem Kloster Prüm gehörte, die Rede ist, deutet darauf hin, daß es auch in Appenheim königliche Güter gab, wie sie z.B. Pippin der Jüngere 751/61 den Prümer Mönchen vermachte. Zudem bestanden in Appenheim Verbindungen zum Prümer Gutshof in Gensingen, das seinerseits schon 768 erstmals erwähnt wird. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß es Appenheim zu diesem Zeitpunkt schon gab. Auch der Ortsname weist auf ein höheres Alter als das der ersten urkundlichen Erwähnung hin, denn die Endung stammt eindeutig aus der Zeit der Fränkischen Landnahme, die ja um 700 abgeschlossen war. Der erste Teil geht wohl auf eine Persönlichkeit zurück. Wie z.B. Bodenheim als „Haus des Bodo“ gedeutet wird, so hat man unter Appen-Heim den Wohnsitz eines Appo oder Abbo zu verstehen. Dieser war vermutlich ein fränkischer Freier, der bei der Gründung des Ortes oder in den ersten Jahren danach eine entscheidende Rolle spielte. Weil so gut wie alle rheinhessischen Ortsnamen, die auf-heim enden, aus der Verbindung mit solchen, freilich oft verstümmelten Personennamen hervorgingen, ist es auch ziemlich unwahrscheinlich, daß Appenheim vom keltischen Wort für Wasser (,,apa“) abzuleiten sei, was Würth wegen des Wasserreichtums der Gemarkung annahm.

Erwähnung von Appenheim (4. Zeile von oben) im Goldenen Buch der Abtei Prüm

So fügt sich Appenheim in das Gesamtbild der rheinhessischen Siedlungsgeschichte ein: Es gehört zur Masse der bei der Fränkischen Landnahme bis 700 gegründeten und im 8./9. Jahrhundert erwähnten Orte unseres Raumes. Daß die meisten Nachbarorte – wie Bubenheim, Gau-Algesheim, Aspisheim und das später verschwundene Bergen – rund 100 Jahre früher erwähnt werden, hängt lediglich damit zusammen, daß sie in dem älteren Lorscher Güterverzeichnis stehen. Mit einem solchen Zufall der Quellenüberlieferung könnte auch die für Rheinhessen recht späte Erwähnung von Nieder- und Oberhilbersheim (1108 bzw. 1163) zusammenhängen; es sei denn, das obere Welzbachtal wäre erst später besiedelt worden, wofür es eigentlich aber keinen Grund gibt. Eine verzögerte Besiedlung ist lange Zeit sogar für Appenheim angenommen worden, denn selbst der gründliche Johannes Würth und sein ebenso zuverlässiger Kollege Karl Brilmayer aus Gau-Algesheim übersahen das Datum 882 und gaben als Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung Appenheims 1132 an. Kleine Ursache, große Wirkung möchte man sagen, denn bis heute bauen auf diesem (falschen) Datum Theorien auf, daß Appenheim und die beiden Hilbersheim wegen der angeblich so ungünstigen Verkehrs- und Höhenlage erst bei einem zweiten Schub um 1000 besiedelt worden seien. Dabei war die Urkunde der Abtei Prüm in einem Buch enthalten, das bereits 1860 erschien und allgemein benutzt wurde. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, daß schon bald ein Streit darüber ausbrach, aus welchem Jahr dieses Dokument stammt. Denn wie fast alle (früh-) mittelalterlichen Urkunden ist auch diese- anders als heute – nicht in Jahren nach Christi Geburt datiert, sondern nach der Regierungszeit des jeweiligen Herrschers.

Wie dem auch sei: Nach dem Jahr 890 schweigen die wellen rund 230 Jahre über Appenheim. Sein Name fehlt natürlich im großen Prümer Güterverzeichnis von 893, aber auch in der Urkunde, mit der Otto III. 983 dem Mainzer Erzbischof den Rheingau und das Binger Land unterstellte. Die nächste urkundliche Nachricht von unserem Dorf stammt erst aus dem Jahre 1112; damals bestätigte der Mainzer Erzbischof Adalbert dem Benediktinerkloster Jakobsberg zu Mainz verschiedene Besitzungen an der Nahe „per planitiem usque ad Abpenheimer marcun“ (deutsch: „in der Ebene bis an die Appenheimer Gemarkung“). Von nun ab häufen sich die Nennungen Appenheims in Urkunden; bis 1450 finden wir den Ort etwa dreißigmal erwähnt. Nicht immer wird der Name so genau und „modern“ geschrieben wie in der Prümer Urkunde von 882, es ist von „Appenheym, Abpinheim, Appinhem, Apenheim“ die Rede. 1132 bestätigt der Mainzer Erzbischof dem Rheingauer Klosterjohannisberg die Stiftung einer Adligen in Appenheim, 1184 einigen sich die Klöster Rupertsberg/Bingen und Altmünster/Mainz über Besitzungen in unserem Ort. Appenheimer Äcker und Wingerte scheinen im Mittelalter sehr begehrt gewesen zu sein, denn immer wieder geht :, in den Urkunden um den Besitz oder die Nutzung solcher Güter. Interessant sind auch die an den Verträgen beteiligten Personen und Parteien, meist Klöster und Adlige aus dem mittelrheinischen Raum. Wir stoßen auf Mainzer Erzbischöfe und Stiftsgeistliche, aber auch auf politisch so mächtige Edelleute wie Werner von Klolanden, der auch Besitz in Appenheim hatte. Zwei Urkunden, in denen unser Dorf erwähnt wird, sind sogar von Päpsten ausgestellt: 1148 bestätigt Papst Eugen III. dem m der Nahe gelegenen Kloster Disibodenberg etliche Güter, darunter Felder in Appenheim, 1185 stellte Papst Lucius III. dem Kloster Rupertsberg eine ähnliche Bestätigung aus. Solche, sehr feierlich mit der Anrufung des Dreifaltigen Gottes beginnenden Papsturkunden, die sich vorwiegend mit Besitzfragen befaßten, waren im Mittelalter keineswegs selten, doch kann nicht jede rheinhessische Gemeinde darauf erweisen, so wie Appenheim von einem päpstlichen Kanzleischreiber in Metz und Verona aufgeführt worden zu sein. 

Verfasser: Dr. Franz Dumont aus Mainz Beitrag von 1983

Weiterlesen: Vom Wormsgau zur Kurpfalz